76789073892

Kostenerstattung für Beitragserhöhungen in der PKV

Liebe Leser,

mit diesem Beitrag möchten wir euch auf die neuesten Tendenzen in der Instanzenrechtsprechung aufmerksam machen. Es geht um alle privat krankenversicherten Personen. Hierbei ist es egal, bei welcher privaten Krankenversicherung man versichert ist.

Kern dieses Beitrages ist die Frage, inwiefern die private Krankenversicherung die Versicherungsbeiträge erhöhen kann und mit welchen Mitteln. Im Grundsatz ist es der Versicherung erlaubt, Versicherungsbeiträge angemessen zu erhöhen.

Die neuesten Entscheidungen der OLG München, OLG Celle, OLG Köln sowie das Landgericht Frankfurt hielten in den entschiedenen Fällen die Beitragsanpassungen der privaten Krankenversicherung für unzulässig.

Dies wird wie folgt begründet. ach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG ist der Versicherer, wenn bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist, bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zustimmt. Diese Voraussetzungen liegen nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien vor.

§ 203 Abs. 2 1 VVG regelt die materiellen Voraussetzungen für die Prämienerhöhungen. Danach ist der Versicherer, wenn bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist, – wie vorliegend gemäß § 206 Abs. 1 VVG – bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen. Maßgebliche Rechnungsgrundlagen in diesem Sinne sind die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten. Außerdem dürfen nach § 203 Abs. 2 S. 2 VVG auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden, soweit dies vereinbart ist.

Nach § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. Vorliegend genügen die von der Beklagten vorgelegten Begründungsschreiben zu den Tarifen A und B nebst Anlagen für die Jahre 2014 und 2015 – anders als die Schreiben im Tarif A für die Jahre 2017 und 2018 – nicht den zu stellenden Mindestanforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG. Bei der Mitteilungspflicht gemäß § 203 Abs. 5 VVG handelt es sich um eine gesetzliche Voraussetzung für das Wirksamwerden der Prämienerhöhungen.

Zu den weiteren Anforderungen an die Mitteilung gemäß § 205 Abs. 5 VVG werden im Wesentlichen folgende Ansichten vertreten:

(1) Teilweise wird vertreten, dass sowohl die die Prämienanpassung auslösende Veränderung der Rechnungsgrundlagen als auch die die Prämienerhöhung beeinflussenden Kriterien unter Nennung der konkreten Höhe der Veränderung mitgeteilt werden müssten. Mit letzterem ist gemeint, welche Rechnungsgrundlagen sich in welcher Höhe gegenüber der ursprünglichen bzw. letzten Kalkulation verändert haben und wie der konkrete Wert des auslösenden Faktors je Beobachtungseinheit laute, um dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätsprüfung zu ermöglichen (LG Neuruppin, Urteil vom 25.08.2017 – 1 O  338/16 -, VersR 2018, 469 ff. in juris Rn. 27; für die Rechnungsgrundlagen auch Klimke, VersR 2016, 22, 23 Ziff. 1. c)).

(2) Teilweise wird darüber hinaus vertreten, dass zusätzlich zu den Rechnungsgrundlagen und der konkreten Höhe der Veränderung auch Name und Anschrift des Treuhänders mitgeteilt werden müsse (Klimke, VersR 2016, 22, 23, 24 II. Ziff. 2.).

(3) Nach anderer Ansicht soll es demgegenüber ausreichen, die für die Anpassung ausschlaggebende Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistung oder Sterbewahrscheinlichkeit) zu benennen (Brand, VersR 2018, 453/455 Ziff. 1.; ähnl. wohl Wendt, VersR 2018, 449/435 unter II. 6.).

(4) Eine weitere Ansicht lässt die Erläuterung genügen, welche Faktoren für eine Prämienanpassung relevant sein können und wie das Verfahren der Prämienanpassung dem Grunde nach funktioniert (Looschelders/Pohlmann/Reinhard, VVG, 3. Aufl. 2016, § 203 VVG Rn. 19).

(5) Eine vermittelnde Ansicht verlangt die Benennung der wichtigsten Gründe, die die Rechtsposition des Versicherungsnehmers am stärksten verändern; dazu sollen neben der Veränderung der Rechnungsgrundlagen, die die Prämienanpassung überhaupt erst ausgelöst haben, bspw. auch die Absenkung des Rechnungszinses sowie dessen Verteilung auf mehrere Jahre gehören (MK/Boetius, VVG, Band 2, 2. Aufl. 2017, § 203 VVG Rn. 1155b; Boetius, Private Krankenversicherung, 2010, § 203 VVG Rn. 205).

(6) Das OLG Celle erachtet es als sachgerecht, keine zu hohen Anforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe zu stellen (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, – 8 U 57/18 -, VersR 2018, 1179 ff., in juris Rn. 99). Nicht erforderlich sei die Mitteilung von Name und Anschrift des Treuhänders. Aber auch die Benennung konkreter Werte sowohl der Veränderung der die Prämienanpassung ermöglichenden Rechnungsgrundlage als auch der Veränderung der die Prämienhöhe beeinflussenden Kriterien erscheine nicht geboten (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, – 8 U 57/18 -, VersR 2018, 1179 ff., in juris Rn. 99). Soweit es um die Veränderung der Rechnungsgrundlage gehe, sei die Kenntnis der konkreten Höhe der Veränderung nicht erforderlich. Für die Prämienanpassung reiche es aus, dass die Veränderung den in den Versicherungsbedingungen festgelegten Schwellenwert übersteige. Dass dies der Fall sei, ergebe sich bereits daraus, dass der Versicherer die Prämienanpassung vorgenommen habe. Wie groß die Überschreitung des Schwellenwerts sei, sei ohne Bedeutung (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, – 8 U 57/18 -, VersR 2018, 1179 ff., in juris Rn. 100).

Nach Ansicht des OLG Celle entspreche die Mitteilung der Gründe einer Prämienanpassung jedenfalls dann den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG, wenn sie die Rechnungsgrundlage, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, und die wesentlichen Kriterien, die deren Höhe beeinflusst haben, benenne (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, – 8 U 57/18 -, VersR 2018, 1179 ff., in juris Rn. 101). Solche weiteren Kriterien neben der gesetzlich genannten Rechnungsgrundlagen (Leistungsausgaben/Versicherungsleistung und Sterbewahrscheinlichkeit), die die Prämienanpassung ausgelöst und deren Höhe beeinflusst haben, sind nach OLG Celle die steigende Lebenserwartung, das Absenken des Rechnungszinsens und die Entwicklung des Versichertenbestandes namentlich in Form der seltener gewordenen Beendigung von Tarifen (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, – 8 U 57/18 -, VersR 2018, 1179 ff., in juris Rn. 103 a.E.).

(7) Das OLG München stellt nach seiner im Beschluss vom 06.03.2019 – 25 U 1969/18 – offengelegten derzeitigen Auffassung deutlich strengere Anforderungen an die Mitteilung der maßgeblichen Gründe. Danach hat die Begründung jedenfalls die Rechnungsgrundlage, die sich erhöht hat, anzugeben und auch, dass der Schwellenwert überschritten ist, sowie wohl auch, um wie viel Prozent sich die Rechnungsgrundlage erhöht hat. Alternativ könnten auch die jeweiligen Beträge angegeben werden. Zu der Frage, inwieweit eine detaillierte Begründung der Höhe des neu verlangten Beitrages erforderlich sei, hat sich das OLG München nach eigenem Bekunden noch keine abschließende Meinung gebildet.

(8) Das OLG Stuttgart wählt nach seiner in dem Beschluss vom 06.06.2019 – 7 U 237/18 – offengelegten vorläufigen rechtlichen Würdigung einen anderen Ansatz für die Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht und gibt § 203 Abs. 5 VVG insoweit auch eine etwas andere Zweckrichtung. Das OLG Stuttgart neigt dazu, dass § 203 Abs. 5 VVG in formaler Hinsicht nur die Angabe der maßgeblichen Rechnungsgrundlagen (Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeit) erfordere, ohne dass – unabhängig von der Aufforderung des Versicherungsnehmers – die Höhe der Veränderung oder noch weitere Angaben gemacht werden müssten. Allerdings habe der Versicherungsnehmer aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht des Versicherers einen Anspruch auf Auskunft darüber, um welchen Faktor die als auslösender Faktor maßgebliche Berechnungsgrundlage sich verändert habe, auf der Veränderung welcher Rechnungsgrundlage(n) – ggf. insbesondere auch der Absenkung des Rechnungszinses – die Höhe der den Versicherungsnehmer betreffenden konkreten Neufestsetzung beruhe und welcher Treuhänder zugestimmt habe. Dieser Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers müsse aber – wie jeder Anspruch – geltend gemacht werden und sei daher vom Versicherer nicht proaktiv zu erfüllen. Eine Verletzung dieses Auskunftsanspruchs führe nicht rückwirkend zur formalen Unwirksamkeit der Neufestsetzung gemäß § 203 Abs. 5 VVG, sondern habe (nur) die allgemeinen Ansprüche bei Vertragsverletzung zur Folge.

Das OLG Stuttgart begründet seine Auffassung damit, dass ein Mitteilen von Gründen im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG begrifflich zwar mehr sein müsse als eine bloße Benachrichtigung nach dem alten Recht. Dies werde aber bereits dadurch erreicht, dass der Versicherer – unstreitig – die die Beitragsanpassung auslösende Rechnungsgrundlage benennen müsse. Hätte der Gesetzgeber darüber hinaus beabsichtigt, dass der Versicherer für jede Beobachtungseinheit und jeden Tarif getrennt standardmäßig die Höhe der Veränderung des auslösenden Faktors oder gar – bezogen auf den einzelnen Versicherungsnehmer – die wichtigsten Gründe angeben müsse, so wäre zu erwarten und zu fordern gewesen, dass der Gesetzgeber eine solche gravierende Änderung der Pflichten des Versicherers in den Motiven begründet hätte. Denn es liege auf der Hand, dass es sich bei den Beitragsanpassungen um Massenverfahren handele, bei denen der Verwaltungsaufwand im Hinblick auf die Vielzahl der Tarife schon durch die Angabe der Höhe der Veränderung des auslösenden Faktors deutlich und bei einem Herunterbrechen auf den einzelnen Versicherten sogar massiv gesteigert werde.

Der Zweck des § 203 Abs. 5 VVG liege aus Sicht des OLG Stuttgart nicht darin, dem Versicherungsnehmer eine Überprüfungsmöglichkeit zu geben, damit er eine Entscheidungsgrundlage für die Frage habe, ob er die Vertragsänderung gerichtlich angreifen könne. Die Norm ziele vielmehr – wie ihre Vorläuferbestimmung – in erster Linie darauf ab, dem Versicherungsnehmer einen gewissen Zeitraum zu belassen, um sich auf eine ihm mitgeteilte Vertragsänderung einstellen zu können und sich darüber klar zu werden, ob er innerhalb der zeitgleich ausgestalteten Frist des § 205 Abs. 4 VVG sein Kündigungsrecht ausübe oder die Prämienänderung zum Anlass nehme, von seinem Tarifwechselrecht nach § 204 VVG Gebrauch zu machen, auf das ihn der Versicherer bei der substitutiven Krankenversicherung nach § 6 Abs. 3 VVG-InfoV bei der Prämienerhöhung ebenfalls hinzuweisen habe.

Streitig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, was unter Mitteilung der „maßgeblichen Gründe“ im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG zu verstehen ist und welche Angaben die Mitteilung im Einzelnen enthalten muss (Klimke, VersR 2016, S. 22 Ziff. II a.E.; LG Frankfurt, Urteil vom 18.01.2018, – 14 O 203/16 -, VersR 2018, 669 ff. in juris Rn. 64). „Gründe“ i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG sind jedenfalls die Umstände, die eine Neufestsetzung der Prämie inhaltlich rechtfertigen. Da das Anpassungsrecht eine dauerhafte Veränderung der für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlagen im Sinne von § 203 Abs. 2 VVG§ 12 b Abs. 2 VAG bzw. § 155 Abs. 3 VAG 2016 voraussetzt, muss die Mitteilung daher zumindest irgendwelche Aussagen zu diesem Punkt enthalten. Problematisch ist nur, in welcher Ausführlichkeit (Klimke, VersR 2016, S. 22 Ziff. II 1.). Einigkeit besteht in Rechtsprechung und Literatur insoweit, als der Versicherer nicht von sich aus detailliert die gesamte der Anpassung zugrundeliegende Kalkulation offenlegen muss. Nicht geboten ist daher insbesondere die Überlassung der Unterlagen, die dem Treuhänder bei seiner Prüfung vorlagen, weil es sich bei den Einzelheiten der Prämienberechnung um Betriebsgeheimnisse des Versicherers handelt, die ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohnehin nicht nachvollziehen kann (vgl. Klimke VersR 2016, S. 22 Ziff. II. 1. a) m.w.N. in Fußnote 5 – 8)

Zunächst ist erforderlich, in der Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zur Begründung der Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen und/oder der Sterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln, weil die Veränderung zumindest einer dieser beiden Rechnungsgrundlagen oder ggf. auch beider in § 155 VAG ausdrücklich als Voraussetzung für eine Prämienanpassung genannt sind.

Die Benennung der Rechnungsgrundlage muss auch und gerade bezogen auf die konkrete Prämienanpassung erfolgen. Nicht ausreichend ist insofern, dass in Informationsblättern allgemein darauf hingewiesen wird, dass eine Veränderung einer der beiden genannten Rechnungsgrundlagen eine Prämienanpassung auslösen kann, ohne klar darauf hinzuweisen, welche geänderte Rechnungsgrundlage für die in Rede stehende konkrete Prämienerhöhung maßgeblich war. Eine bloße Erläuterung der allgemeinen gesetzlichen und tariflichen Grundlagen reicht nicht aus. Denn dem Gesetzeswortlaut ist durch die Verwendung des Begriffs „maßgeblich“ zu entnehmen, dass nicht eine allgemeine Information oder Belehrung über das Prämienanpassungsrecht ausreicht, sondern ein Bezug zu der konkreten Prämienanpassung hergestellt werden muss.

Hingegen ist die Angabe der konkreten Höhe der Veränderung oder des sog. auslösenden Faktors nicht erforderlich. Denn für die Prämienerhöhung reicht es aus, dass die Veränderung den in den Versicherungsbedingungen oder im Gesetz festgelegten Schwellenwert übersteigt. Soweit es um die die Prämienhöhe beeinflussenden Faktoren geht, hat die Kenntnis konkreter Zahlen – soweit es sich dabei nicht ohnehin um Geschäftsgeheimnisse des Versicherers handelt – für den Versicherungsnehmer regelmäßig keinen Nutzen. Denn die Kenntnis einzelner Zahlen ermöglicht dem Versicherungsnehmer weder eine rechnerische Kontrolle noch auch nur eine Plausibilitätsprüfung der Prämienerhöhung; dafür sind die versicherungsmathematischen Zusammenhänge zu komplex (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, – 8 U 57/18 -, VersR 2018, 1179 ff., in juris Rn. 100, 101).

Nicht erforderlich ist zudem, dass in der Mitteilung konkret angegeben wird, welcher Schwellenwert überschritten wurde, der gesetzliche Faktor gemäß § 155 VAG (Versicherungsleistungen über 10 % bzw. Sterbetafeln über 5 %) oder ein gegebenenfalls abweichender tariflich vereinbarter auslösender Faktor (z.B. § 8 b MB/KK: Versicherungsleistungen über 5 %). Es reicht aus, wenn der Versicherungsnehmer dem Gesamtzusammenhang des Begründungsschreibens klar entnehmen kann, dass der Versicherer seine Erhöhung mit einer Überschreitung des geltenden Faktors begründet (OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018, – 8 U 57/18 -, VersR 2018, 1179 ff., in juris Rn. 100).

Damit kann der Versicherungsnehmer die rechtlichen Voraussetzungen, mit denen der Versicherer die Prämienanpassung begründet, in hinreichendem Maße nachvollziehen. Die Höhe des geltenden gesetzlichen Faktors kann er über die in § 203 VVG genannte Normenkette erkennen. Einen gegebenenfalls abweichend vereinbarten Faktor kann er den Versicherungsbedingungen entnehmen. Einem Versicherungsnehmer ohne vertiefte Spezialkenntnisse im privaten Krankenversicherungsrecht wird selbst ein formaler Abgleich der vom Versicherer genannten Begründung mit den rechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen für seinen Tarif ohne die Einholung weiterer Auskünfte nicht möglich sein. Dies gilt unabhängig davon, ob ihm in der Begründung der maßgebliche Schwellenwert genannt wird.

Für eine rechnerische Überprüfung hilft die Benennung des einschlägigen Faktors – gesetzlich oder tariflich vereinbart – bzw. des jeweiligen Schwellenwertes – über 5 % bzw. über 10 % – dem Versicherungsnehmer ohnehin nicht weiter. Entsprechendes gilt für das zeitgleich laufende Kündigungsrecht oder das Tarifwechselrecht des Versicherungsnehmers nach § 204 VVG. Auf diese Rechte hat der Versicherer den Versicherungsnehmer gesondert hinzuweisen. Die vom Versicherungsnehmer zu treffende Entscheidung über die Ausübung der Rechte wird durch die Angabe, ob der auslösende Faktor über einem bestimmten gesetzlichen oder tariflich festgelegten Prozentsatz liegt, für sich genommen nicht erleichtert, weil auch insofern die zu treffende Entscheidung von verschiedenen Faktoren abhängt.

Soweit der Versicherungsnehmer im Einzelfall ein Interesse an weiteren Informationen hat, sei es wegen einer beabsichtigten Plausibilitätskontrolle oder als Entscheidungshilfe für die Ausübung seiner Rechte nach § 204 VVG, so ist ihm – der Auffassung des OLG Stuttgart folgend – ein weitergehender Auskunftsanspruch zuzubilligen. Bei den Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung handelt es sich um ein Massenverfahren. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Umfang der Begründungspflicht näher ausgestaltet hätte, wenn er dem Versicherer im Vergleich zur früheren Rechtslage einen erheblichen weiteren Verwaltungsaufwand bei der Ausgestaltung der Begründung im Einzelfall hätte auferlegen wollen. Die schutzwürdigen Interessen des Versicherungsnehmers sind hinreichend dadurch gewahrt, dass ihm nach entsprechender Geltendmachung die Gründe für die Prämienerhöhung im Einzelnen mitzuteilen sind.

Die Einhaltung der von Klimke (a.a.O.) und dem LG Neuruppin formulierten weitergehenden Anforderungen für den Versicherer sind in der Praxis kaum umsetzbar und führten zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu einer erheblichen Erhöhung des Verwaltungsaufwands. Der Versicherer müsste für jeden versicherten Tarif jeder versicherten Person eine Vielzahl von Angaben je Beobachtungszeitraum technisch in eine auf diese Daten abgestimmte verbale Begründung einfügen und für den Versicherungsnehmer transparent darstellen, ohne dass dem Versicherungsnehmer anhand dieser Angaben – auch unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen – ein ansatzweises „Nachrechnen“ möglich wäre. Denn dafür bedürfte es des gesamten Rechenwerks, das der Versicherer aufgrund des vom Bundesgerichtshof anerkannten Geheimhaltungsinteresses der Begründung nicht beifügen muss und das auch über eine „Mitteilung“ hinausgeht. Gerade deshalb hat der Gesetzgeber die Prüfung durch einen sachverständigen Treuhänder vorgeschrieben, der auf der Grundlage aller Informationen die Neukalkulation des Versicherers vorab detailliert überprüft (Looschelders/Pohlmann/Reinhard a.a.O. § 203 VVG Rn. 19; vgl. Brand, VersR 2018, 453/456 IV 2.).

Dahingestellt bleiben kann, ob dem Versicherungsnehmer als Wirksamkeitsvoraussetzung i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG ausnahmsweise auch ohne entsprechende Nachfrage im Begründungsschreiben mitzuteilen ist, wenn der Versicherer eine Prämienerhöhung trotz sinkender Leistungsausgaben vorgenommen hat. Vorliegend erfolgten alle streitgegenständlichen Prämienerhöhungen aufgrund gestiegener Leistungsausgaben.

Nicht erforderlich ist die Angabe des Namens und der Anschrift des Treuhänders in der Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG durch den Versicherungsnehmer. Da die Unabhängigkeit des Treuhänders nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht gerichtlich zu überprüfen ist, ist der Name für den Versicherungsnehmer zunächst ohne Bedeutung.

Jedenfalls bei gestiegenen Leistungsausgaben ist ebenfalls nicht zwingend erforderlich die Nennung der Veränderung weiterer Kriterien, welche die Prämienhöhe zumindest auch noch beeinflusst haben, wie bspw. der Rechnungszins. Insbesondere muss ein konkreter Bezug zwischen der streitgegenständlichen Prämienerhöhung und den veränderten weiteren Faktoren in der Begründung nicht hergestellt werden. Denn dies führte zu einer erheblichen Erhöhung des Verwaltungsaufwands, der zulasten der Versicherungsgemeinschaft ginge, ohne dass dem Aufwand ein nur ansatzweise entsprechender Nutzen für den einzelnen Versicherungsnehmer gegenüberstünde. Der Versicherer müsste für jeden versicherten Tarif jeder versicherten Person eine Vielzahl von Faktoren angeben. Dennoch wäre dem Versicherungsnehmer anhand von diesen Angaben zu den weiteren veränderten Faktoren – auch unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen – ein ansatzweises „Nachrechnen“ nicht möglich. Denn hierfür bedürfte es des gesamten Rechenwerks, das der Versicherer aufgrund seines schützenswerten Geheimhaltungsinteresses der Begründung gerade nicht beifügen muss.

Solltet Ihr hierzu Fragen haben, könnte uns gerne jederzeit anrufen.

Foto von jeshootscom von Pexels