Sieg gegen die Hamburger Sparkasse wegen Vorfälligkeitsentschädigung
In einem meiner Fälle gegen die Hamburger Sparkasse konnte ich einen Sieg vor dem Landgericht Hamburg erwirken.
Was war passiert?
Mein Mandant hatte eine Immobilie erworben, die die Haspa kreditiert und besichert hatte. Die Laufzeit des Darlehens betrug 20 Jahre. Mein Mandant löste das Darlehen jedoch frühzeitig ab. Die Haspa verlangte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 15.000,00 €, die der Mandant dann auch zahlte. Die Sache war noch frisch. Der Mandant wurde von mir auf diese Möglichkeit hingewiesen. Er machte von seinem Anspruch Gebrauch.
Hierzu ist zunächst zu wissen, was überhaupt eine Vorfälligkeitsentschädigung ist.
Grundsätzlich darf eine Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, dies ist auch in § 502 BGB geregelt. Diese dient dazu, dass die Bank entschädigt wird, wenn das gewährte Darlehen vorzeitig aufgelöst wird, da die Bank im Vertrauen auf das gewährte Darlehen entsprechende Kosten aufnimmt und dieses Vertrauen enttäuscht ist, in dem Moment, in dem das Darlehen vorzeitig abgelöst wird.
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Vorfälligkeitsentschädigung generell von Banken AGB mäßig behandelt werden und der Normalverbraucher hier überhaupt nicht versteht, was denn passiert, wenn das Darlehen nach 5 oder 12 Jahren vorzeitig abgelöst wird. Dies ist auch der Ausgangspunkt der mangelnden Transparenz und damit folgend der Unwirksamkeit der Berechnungsmethode. Wir haben wie folgt argumentiert.
In der dem Darlehensvertrag zu Grunde gelegten Finanzierungsbedingungen in der Fassung vom 24 2016 heißt es in Punkt 12.2. wörtlich wie folgt:
„Die Bank berechnet die Vorfälligkeitsentschädigung finanzmathematisch nach der sogenannten Aktiv-Passiv Methode. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung ist derzeit, zu
dem die vorzeitig zurückgezahlte Darlehensvaluta bei der Bank eingeht. Im Einzelnen erfolgt die Berechnung wie folgt:
Zunächst ermittelt die Bank unter Berücksichtigung etwa vertraglich vereinbarter Sondertilgungsrechte, eines etwaigen Rechts des Darlehensnehmers auf Anpassung des Tilgungssatzes und eines etwaigen Kündigungsrechts des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wann und in welcher Höhe Zahlungen von ihm zu entrichten gewesen wären, wenn das Darlehen fortgeführt worden wäre.
Dies geschieht dadurch, dass die Bank das vorzeitig zurückgezahlte Darlehenskapital unter Berücksichtigung der Fälligkeitstermine der einzelnen ausstehenden Raten des Darlehensvertrages hypothetisch wiederanlegt. Dabei wird wie folgt differenziert:
Soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristenkongruenten Laufzeiten vorhanden sind, werden für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der
entsprechenden am Markt Kapitalverfügbaren Hypotheken zu Grunde gelegt. Soweit keine fristenkongruenten Hypotheken Pfandbriefe vorhanden sind, werden fristenkongruenten Geldmarktzinssätze aus der Bundesbankstatistik zu Grunde gelegt. Liegen die erzielbaren Zinssätze am Kapitalmarkt bzw. am Geldmarkt unter dem vertraglich vereinbarten Darlehenszins, entsteht der Bank ein Zinsausfall. Dieser ist Ausgangpunkt für die weitere Schadensberechnung.“
Die Vertragsangaben über die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung sind unzureichend, wenn lediglich erklärt wird, dass die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurück gezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbrief zu Grunde legt, soweit Pfandbriefe mit entsprechenden Fristen vorhanden sind und offenbleibt, was geschieht, soweit solche Hypothekenpfandbriefe etwa bei unterjährigen Laufzeiten nicht vorhanden sind. (OLG Frankfurt NJW-RR 2020, 1121; nachfolgenden Wort Nicht-Zulassungsbeschwerde zurückgewiesen vom BGH-Beschluss vom 08.06.2021 AZ: XI ZR 320/20). Das Landgericht stimmte dem zu und ging noch darüber hinaus mit folgenden Argumenten:
Der Kläger war nach § 500 Abs. 2 S. 2 BGB und Ziffer 10.1 der AGB berechtigt, seine Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag vorzeitig zu erfüllen. Die Veräußerung der Im-
mobilie begründet ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Rückführung des Darlehens (OLG Saarbrücken, Urt. v. 26.01.2023, 4 U 134/21, BeckRS 2023, 6907; Ellenberger/Bunte/Samhat, BankR-HdB, 6. Aufl. 2022, § 54. Kündigungsrecht Rn. 155 zu § 490 BGB).
Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ist ohne Rechtsgrund erfolgt. Ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung war nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Angaben im Darlehensvertrag zur Vorfälligkeitsent-
schädigung unzureichend sind.
Nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB muss der Darlehensvertrag klar und verständlich formulierte Angaben über die Methode zur Berechnung des Anspruchs auf Vorfälligkeitsent-
schädigung enthalten, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt. Es genügt für eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Pa-
rameter in groben Zügen benennt (st. Rspr. BGH, z.B. Urt. v. 05.11.2019, XI ZR 650/18, NJW 2020, 461, Rn. 45 m.w.N.). Im Kreditvertrag muss die Methode für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens fälligen Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise angegeben werden, so dass dieser die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der in diesem Vertrag erteil-
ten Informationen bestimmen kann, wobei die Nennung einer mathematischen Formel nicht gefordert wird (vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2021, C-33/20, C-155/20 und C187/20, NJW 2022, 40, 41).
Die Angaben der Beklagten zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in Ziffer 10.2 des Darlehensvertrages sind nicht bereits deshalb unzureichend, weil die Beklagte an-
gab, der Berechnung die „Aktiv-Passiv-Methode“ zugrunde zu legen. Der Bundesgerichts-
hof erkennt die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung anhand dieser Methode ohne Weiteres an, ohne zu bemängeln – wie der Kläger einwendet -, dass es sich um eine Be-
rechnung auf Grundlage einer fiktiven Anlage handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 11.02.2020, XI ZR 648/18, BeckRS 2020, 2755, Rn. 15 ff.; BGH, Urt. v. 05.11.2019, XI ZR 650/18, NJW 2020, 461, 465). Auf die Frage, ob die Möglichkeit einer Berechnung anhand der Aktiv-Passiv-Methode europarechtskonform ist, wie sie das Landgericht Ravensburg dem EuGH vorgelegt hat (LG Ravensburg, Vorlagebeschl. v. 08.08.2022, 2 O 316/21, EuZW 2023, 385), kommt es vorliegend nicht an.
Denn die Angaben im Darlehensvertrag über die Berechnung der Entschädigung sind aus anderen Gründen unzureichend. Unzureichend sind nicht nur solche Informationen, die für den Verbraucher nicht nachvollziehbar sind, sondern auch unrichtige Angaben sowie sol-
che, die zwar aus fachlicher Sicht nicht zu beanstanden, aber für einen durchschnittlichen Verbraucher nicht nachvollziehbar sind (MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2023, BGB § 502 Rn. 14). Im streitgegenständlichen Darlehensvertrag ist zur Vorfälligkeitsentschädigung aus-
geführt, dass die Beklagte so gestellt werde, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbin-
dung planmäßig fortgeführt worden wäre. Hierbei handelt es sich indes um eine unrichtige Information. Mit dem Begriff „Zinsbindung“ kann aus Sicht des Verbrauchers nur die vertrag-
lich vereinbarte Zinsbindung gemeint sein. Entscheidend für die Ermittlung des Zinsnach-
teils bei vorzeitiger Kreditbeendigung ist jedoch der Zeitraum der rechtlich gesicherten Zinserwartung. Dieser Zeitraum stimmt nicht immer mit dem vereinbarten Zinsfestschrei-
bungszeitraum überein (LG Kiel, Urt. v. 04.11.2022, 12 O 198/21, VuR 2023, 182, 183; Ellenberger/Bunte/Samhat, BankR-HdB, 6. Aufl. 2022, § 54. Kündigungsrecht, Rn. 169). Die rechtlich geschützte Zinserwartung endet nämlich immer dann, wenn der Darlehensneh-
mer den Darlehensvertrag durch Ausübung eines ihm zustehenden vertraglichen oder ge-
setzlichen Kündigungsrechts hätte beenden können. Dem Darlehensnehmer steht bei ei-
nem Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach Ab-
lauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang der Darlehenssumme unter Einhal-
tung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ein ordentliches Kündigungsrecht zu. Die Entschädigung ist daher nur bis zum Zeitpunkt des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu berechnen. Es entsteht aufgrund der Regelung mithin der Eindruck, die Vorfäl-
ligkeitsentschädigung werde nach der vertraglichen Zinsbindungsdauer des Darlehens be-
rechnet, selbst wenn die rechtlich geschützte Zinserwartung früher endet.
Anders als die Beklagte meint, steht der Annahme unzureichender Angaben i.S.d. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht entgegen, dass im streitgegenständlichen Fall die Zinsbindung be-
reits nach rund fünf Jahren und damit vor Eingreifen des ordentlichen Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB endete. Denn bei der Beurteilung der Vertragsangaben nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nicht maßgeblich, ob die Angabe im konkreten Einzelfall zutreffend ist. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob die Information objektiv zutreffend ist und den gesetz-
lichen Anforderungen genügt. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie – wie vorliegend nicht – für alle Fälle, auf die hin sie verfasst ist, sachlich richtig und hinreichend deutlich formuliert ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeit von Widerrufsbelehrungen (BGH, Urt. v. 16.10.2018, XI ZR 370/17, NJW-RR 2019, 112, Rn. 12; Urt. v. 09.04.2019, Az.: XI ZR 70/18, BeckRS 2019, 9248, Rn. 15). Ebenso wie Widerrufsbelehrungen sollen auch die dem Darlehensnehmer nach Art. 247 § 7 EGBGB zu erteilenden Informationen durch Vermeidung eines Informationsgefälles die Gleichberechtigung der Vertragspartner fördern und so dem Verbraucherschutz dienen. Deshalb ist auch im Rahmen der Prüfung der Vertragsangaben nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein entsprechender Maßstab anzule-
gen. Zudem handelt es sich bei den streitgegenständlichen Regelungen zur Vorfälligkeits-
entschädigung unstreitig um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Deren inhaltliche Beurtei-
lung erfolgt grundsätzlich anhand eines überindividuell-generalisierenden Maßstabs durch Abstellen auf den objektiven Regelungsinhalt, ohne dass es auf den konkreten Erklärungsempfänger
ankommt (BeckOGK/Knops, 66. Ed. Stand 15.01.2023, § 502 BGB, Rn. 60; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 307 BGB, Rn. 8). Nicht die konkreten Ver-
tragsparteien als Inhaber konkreter Rechtspositionen und in ihrer konkreten Pflichtenstel-
lung sind maßgeblich; vielmehr ist auf die typischerweise anzutreffende Interessenlage ab-
zustellen (BGH, Urt. v. 04.07.1997, V ZR 405/96, NJW 1997, 3022, 3024). Rein individuelle Gegebenheiten beim Verwender wie beim Vertragspartner sind grundsätzlich nicht zu be-
rücksichtigen. Das gilt insbesondere für möglicherweise beim konkreten Verwendungsgeg-
ner eintretende (besonders milde oder schwerwiegende) Folgen der Klauselverwendung (BeckOK BGB/H. Schmidt, 66. Ed. 1.5.2023, § 307 BGB, Rn. 31).
§ 814 BGB steht dem Rückzahlungsanspruch nicht entgegen. Auch ohne Vorbehalt ge-
leistete Zahlungen einer Vorfälligkeitsentschädigung können, wenn sie nicht in Kenntnis der Bereicherungsproblematik erbracht worden sind, zurückgefordert werden. Wegen der im-
mer noch nicht vollständig geklärten Rechtslage zur Berechnung der Entschädigung gibt es zugunsten beider Vertragsteile keinen absoluten Vertrauensschutz in die Endgültigkeit der Betragshöhe (LG Kiel, a.a.O.).